Es ist Sonnabendnachmittag und ich warte auf dem Parkplatz der Gaststätte „Zur Esterholzer Schleuse“ zwischen Uelzen und Wittingen. Am Lokal sind die Schotten dicht. Überall sind die Jalousien heruntergezogen. Neben mir taucht ein Mann auf und sagt: „Seit einem Jahr hat die Gaststätte einen neuen Besitzer. Aber bisher hat er hier noch nicht wieder aufgemacht. Schade, das Lokal war gut besucht.“ Gerd Lindhorst stellt sich als unser Gästeführer bei der Schleusenführung vor. In den kommenden eineinhalb Stunden zeigt er uns einen Teil seines Lebenswerks: Die Schleusen Uelzen I und Uelzen II im Elbe-Seitenkanal.
Gerd Lindhorst hat lange als Vermessungstechniker gearbeitet und den Elbe-Seitenkanal mit gebaut. Heute präsentiert er uns eine der größten Binnenschifffahrtsschleusen in Deutschland. In Uelzen stehen zwei unabhängig voneinander arbeitende Schleusen, die rund um die Uhr für kleine Sportboote und große Containerschiffe 23 Meter Höhe überbrücken.
Die Schleuse Uelzen I hat viele tausend Schiffe hoch und herunter gehievt. Wie Gerd Lindhorst ist auch sie in Rente. Sollte an der neueren Uelzen II ein Defekt auftreten, ist sie aber nach wie vor funktionstüchtig.
Der Vermessungstechniker denkt gern an seine aktive Zeit zurück, als er 10.000 Grenzsteine entlang der Wasserstraße gesetzt hat. Sein Arbeitsplatz während des Baus war 115 Kilometer lang. Die Begeisterung für die Bauwerke, die wir hier bestaunen, springt schnell auf mich über.
Um einigermaßen die Zahlen fassen zu können, stellt unser Gästeführer Vergleiche an: „Das Bauwerk Schleuse Uelzen II hat einen Rauminhalt von 400.000 Kubikmeter. Ungefähr so viel wie das Reichstagsgebäude in Berlin. Es wurde doppelt so viel Beton verbaut wie bei der Allianz Arena in München, nämlich 241.000 Kubikmeter. Und mit den 33.500 Tonnen Bewehrungsstahl könnte man vier Pariser Eiffeltürme errichten.“

In meinem Kopf rattert es. Unglaublich, vor was für einem Koloss ich hier gerade stehe. Wir gehen zum Fuß der Schleusenanlage. Ein paar hundert Meter weiter sehen wir ein Schiff. Gerd Lindhorst sagt: „Schade, das fährt gerade weg. Vielleicht haben wir Glück und oberhalb der Schleuse möchten noch mehr Schiffe durch die Schleuse in Richtung Lüneburg. Der beste Tag dafür ist eigentlich immer Sonnabend.“
Gerd Lindhorst führt die Gruppe die Asphaltstraße hinauf zum Schleusenbecken. Tatsächlich schiebt sich dort gerade ein Schiff in die Kammer von Uelzen II. Für meinen laienhaften Blick passt das Schiff gerade so rein. „190 Meter Nutzlänge hat die Schleuse“, sagt der Gästeführer.
Hinter dem Schiff schließt sich ein Stahltor. Auf der anderen Seite rauscht es. Wir gehen über die Besucherplattform und beobachten, wie sich ein Becken mit den Wassermassen füllt. Gerd Lindhorst sagt: „Nacheinander öffnen sich die Tore zu den vier übereinanderliegenden Sparbecken, bis das gleiche Niveau erreicht ist. Es muss nicht gepumpt und so keine Energie aufgewendet werden. Durch die Becken werden 70 Prozent der Schleusenkammer gefüllt. Die restlichen 30 Prozent werden der Kanalhaltung entnommen beziehungsweise bei Talschleusung in die Kanalhaltung abgeleitet. Uelzen II ist damit die derzeit größte Sparschleuse der Welt.“
Mein Mann Hendrik ist beeindruckt: „Auf die Idee muss man erst einmal kommen. Einfach die Physik für sich arbeiten lassen. Genial.“
Das Schiff sinkt immer weiter ab. 23 Meter geht es nach unten, bis sich die Stahltore auf der anderen Seite öffnen und es langsam Richtung Scharnebeck den Elbe-Seitenkanal entlangschippert.
Die nächsten öffentlichen Führungen finden jeweils am Sonnabend um 15 Uhr statt: 9. Juli, 13. August, 10. September, 8. Oktober. Kinder ab 7 Jahre zahlen 1,50 Euro, Erwachsene 3 Euro. Bitte melde dich vorher telefonisch bei Marita Wellmann unter 0 58 25 / 279 oder bei Gerd Lindhorst unter 0 58 25 / 1526 an.