Ausflugstipp

Hitzacker: Auf dem Sofafloß die Elbe erleben

Die Elbe hat viele Geschichten zu erzählen. Von ersten Schwimmversuchen, vom geteilten Deutschland, von Vogelhochzeiten und von ausufernden Wassermassen. Mit zwei Männern, die vieles davon miterlebt haben, sitzen wir heute auf dem Sofa. Auf einem Floß. Und tuckern gemütlich über die Elbe.

Im Stadtmuseum „Das Alte Zollhaus“ in Hitzacker treffen wir auf Mathias Jühlke. Wir stehen vor einer riesigen Luftbildaufnahme. Fast ganz Hitzacker stand 2013 unter Wasser. „2018 war es noch schlimmer“, erinnert er sich. „Aber dank des Hochwasserschutzes blieben große Katastrophen aus.“

Hinter uns geht die Tür knatschend auf, ein Glöckchen kündigt einen weiteren Gast an. „Kapitän Andreas Sauck meldet sich zum Dienst.“ Ein kleiner Mann mit vielen Lachfalten im Gesicht salutiert vor mir. Dann kann es ja losgehen.

Wir gehen gemeinsam über das Kopfsteinpflaster durch eine enge Gasse. Dahinter liegt das Sofafloß „Herzogin Dorothea“ am Anleger. Ein großer Schritt und schon sind wir an Bord.

Kaum haben wir auf dem Sofa Platz genommen, starten die Maschinen. Es rattert und tuckert und Herzogin Dorothea wendet auf der Jeetzel, einem Nebenfluss der Elbe. Sarah sagt: „Na hoffentlich bleiben wir hier jetzt nicht stecken.“ – „Ist ja nicht der Suezkanal“, antworte ich und denke an den großen Frachter, der vor gut einem Jahr für sechs Tage Stau auf der Wasserstraße sorgte.

Mathias Jühlke knüpft an das Gespräch im Museum an: „Die dicke Stahlmauer wurde für den Hochwasserschutz gebaut. Wenn der Pegel über 14 Meter steigt, werden Aluelemente eingesetzt. Außerdem haben wir drei Pumpen, die bis zu 60.000 Liter pro Sekunde pumpen können.“ Nachdem 2002 und 2003 Hitzacker unter Wasser stand, wurden für insgesamt 30 Millionen Euro ein neues Schöpfwerk, ein neues Siel und die Hochwasserschutzwand gebaut. Die Stadtinsel ist nun vor Hochwasser-Ereignissen geschützt, wie sie statistisch einmal in hundert Jahren auftreten.

Ganz gemütlich schiebt sich Herzogin Dorothea auf die Elbe. Die Wellen schlagen sanft gegen den Bug. Mathias Jühlke macht uns auf ein paar Bauten am anderen Ufer aufmerksam. „Zu DDR-Zeiten fuhr hier die einzige Fähre zwischen Magdeburg und Lauenburg, die auf beiden Seiten einen befestigten Anleger hatte. Früher konnte man von hier aus die Wachtürme sehen. Ich erinnere mich noch an einen Abend, als ich nach Hause kam und an der der Elbe alles hell erleuchtet war. Da wurde quasi über Nacht der Grenzzaun gebaut.“

Heute sieht es hier zum Glück ganz anders aus. Keine Soldaten, keine Wachtürme, kein Zaun und kein Stacheldraht gibt es mehr. Stattdessen faszinierende Elblandschaft, die uns nun auch vom Sofa zieht. Hier waren wir zwar gegen Wind und Wetter gut geschützt, aber auf dem hinteren Teil können wir besser sehen.

Wir fahren an der Fachwerkstadt vorbei und unser Begleiter erzählt uns von einigen Geschichten der Häuser. Das Haus mit dem ersten Strom, das riesengroße Tanklager der Wirtschaftsforschung, die schmucke Villa mit dem Hakenkreuz am Weinberg.

Am Ufer gegenüber hingegen sehen wir Natur pur. Mathias Jühlke sagt: „Schaut euch die Enden der Baumstümpfe an. Die sind richtig rund genagt.“ – „Dann waren das wohl die Biber wie in der Zahnpastawerbung“, sagt Willi. „Genau. Wenn dich als Bewohner hier ein Baum stört, darfst du ihn nicht fällen. Biber hingegen richten hier eine Menge Schaden an. Trotzdem ist es schön, dass sie wieder da sind. Sie gehören hier einfach her.“ Ein bisschen weiter sehen wir einen kleinen Trampelpfad, der am Ufer ins Gebüsch führt. Einige Äste sind hier gehäuft. Unser Begleiter erklärt: „Die jungen Biber nagen die kleinen Äste rund, die älteren machen sich an den Bäumen zu schaffen. Ihre Zähne wachsen ein Leben lang und müssen immer gut geschliffen werden.“

Willi, Leonie und Sarah setzen sich einen Moment auf die Holzbank und recken ihre Nasen in die Sonne, die sich gerade durch die Wolken kämpft. Der Wind pustet uns ordentlich um die Ohren. So muss das sein auf dem Schiff. Am Himmel entdecke ich große Vögel. Der Rotmilan zieht seine Kreise über der Elbe. Auch das Wappentier Deutschlands, der Seeadler, findet hier ein perfektes Zuhause. Mathias Jühlke schwärmt: „Es ist toll, diese riesigen Tiere zu beobachten. In einer Baumgruppe habe ich schon einmal einen Adlerhorst entdeckt. Und später im Jahr konnte ich beobachten, wie die Elterntiere einem Jungen beibrachten, wie es mit dem gefangenen Fisch umgeht.“

Sarah ist inzwischen zum Kapitän auf die Bank geklettert und lauscht seinen Geschichten über die Elbe. Auch Andreas Sauck ist hier aufgewachsen. Allerdings im Osten, in Strachau. Genau wie Mathias Jühlke hat er in der Elbe Schwimmen gelernt, hat mit selbstgebauten Angeln, Brot und Erbsen die Fische aus dem Strom geangelt und eine „glückliche und freie“ Kindheit verbracht. Dank seines Sportbootführerscheines darf er mit dem Sofafloß über die Elbe schippern. Und zwar immer im Zickzack. „Die Elbe ist ein lebendiges Gewässer. Das heißt, dass der Sand sich immer wieder verlagert. Das wird regelmäßig gemessen und alle drei Wochen wird die Fahrrinne neu festgelegt.“

Während unserer Fahrt sind wir die einzigen auf der Elbe. Das liegt daran, dass die Elbe nicht genügend Tiefgang hat. Andreas Sauck sagt: „So ungefähr einmal die Woche kommt hier noch ein leeres Schiff vorbei, wenn es passt. Alle anderen fahren auf dem Elbe-Seitenkanal.“ Das Echolot zeigt eine Tiefe von gerade einmal drei Metern an. Zum Vergleich: Das Frachtschiff „Ever Given“, das im Suezkanal auf Grund lief, hat einen Tiefgang von maximal 15,7 Metern. Entsprechend klein ist die Chance, dass es einmal an Hitzacker vorbeifährt.

Das Sofafloß „Herzogin Dorothea“, das seinen Namen der Frau von Herzog August des Jüngeren zu Braunschweig-Lüneburg verdankt, schwimmt nun wieder in Richtung Jeetzel. Vorbei an der beeindruckenden Hochwasserschutzmauer, an alten Fachwerkhäusern und modernen Hotels und am Weinberg, in dem einst Zwerge gelebt haben sollen.

Das Sofafloß „Herzogin Dorothea“ kann von Gruppen bis zu 11 Personen im Museum Hitzacker gebucht werden. Verpflegung gibt es an Bord nicht. Wer mag, kann sich gern alles mitbringen.

Weitere Infos findet ihr hier:

So kommst du hin:

RB32
Hitzacker
Die Züge des erixx RB32 bringen dich nach Hitzacker. Von hier aus spazierst du in 20 Minuten durch die Fachwerkstadt zum Museum.
Anika Werner

Anika Werner

Anika genießt das Landleben in Radbruch. Am liebsten erkundet sie mit ihrer Familie und den Hunden Dexter und Didi die Natur oder bestaunt auf Städtetrips Architektur und Geschichte.

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