Im Jahr 1993 steht Raimund Nowak am Bahnhof in Uelzen und fühlt sich unwohl. Hier müsste einiges gemacht werden. Als Pendler besucht er diesen Ort täglich und das ist kein guter Start in den Tag. Nowak wendet sich an den Stadtdirektor mit der Idee, den Bahnhof zur EXPO 2000 in Hannover herauszuputzen. Der Stadtdirektor von Uelzen glaubt nicht daran, dass viel in das Gebäude investiert wird und schlägt vor, den Ort durch eine Kunstausstellung mit Kunstwerken von Hundertwasser aufzuwerten.
Hundertwasser war ein Architekturdoktor
Ein Leserbrief bringt den entscheidenden Impuls. Warum nicht beides miteinander kombinieren? Raimund Nowak gründet den Verein Bahnhof 2000 Uelzen e.V. und steht vor folgenden Fragen: „Wie überrede ich die Bahn? Wie überrede ich Hundertwasser? Und wer bezahlt das? Zum Glück traf ich den Kunstverrückten Martin Lepper. Er sollte in Deutschland die Bahnhöfe umbauen und war von der Idee begeistert. Durch ihn konnten wir das Projekt umsetzen.“
So kam es, dass die Vereinsmitglieder viele Fotos von jeder Ecke des Bahnhofes schossen und einhundert Fotos an Hundertwasser schickten. Der Künstler malte seine Ideen auf die Fotos, gab sie an einen Architekten, der die Baupläne daraus erstellte.
Raimund Nowak sagt: „Hundertwasser sah sich als Architekturdoktor, indem er bestehende Gebäude verschönerte. ‚Die Waagerechte gehört der Natur, die Senkrechte dem Menschen‘, ist ein bekanntes Zitat von dem Hippie. Er meinte damit, dass alles, was überbaut wird, begrünt werden muss.“ Deshalb wachsen auf den Dächern Gräser und an einer Stelle ist sogar ein Loch in der Decke, damit ein Baum Teil der Architektur sein kann. So hielt Hundertwasser in der von ihm bestimmten „Baumpflicht“ fest und wurde selbstverständlich auch in Uelzen umgesetzt.
Der unebene Boden ist dem Waldboden nachempfunden, aber dennoch keine Gefahr für die Besucher des Bahnhofes. Der Vereinsvorsitzende erzählt: „Wir haben hier alles geprobt, sind jeden Quadratmeter mit Koffern, Rollstühlen und Kinderwagen entlang gegangen.“

Wasserwaage war auf dem Bau verboten
Jede Säule ist ein Kunstwerk für sich. Alle Handwerker wurden drei Wochen in Wien auf die Arbeit vorbereitet. „Als erstes musste jeder seine Wasserwaage abgeben. Einigen gefiel es, andere wiederum fanden den Auftrag furchtbar“, erinnert sich Raimund Nowak. Fliesen wurden zerschlagen und dann schief und krumm an die Säulen gebracht. Kreativität war gefragt, auch wenn jede Farbe vom Künstler ausgewählt wurde.
Die Umgestaltung zum „Umwelt- und Kunstbahnhof“, wie er beim Bau und zur EXPO 2000 hieß, kostete 14 Millionen Deutsche Mark. Durch die guten Kontakte, vor allem zu Martin Lepper, konnte das Geld beschafft werden.
Der Bahnhof ist zu einem riesigen Kunstobjekt geworden, innen wie außen. Auch die anderen Bahnsteige wurden von Hundertwasser gestaltet. Hier war er nicht als „Architekturdoktor“ am Werk, sondern erschuf Neues. Weil hier kein Denkmalschutz griff, konnte der Stil realisiert werden, dass Fenster auf verschiedenen Höhen installiert und Mauern ungerade gebaut wurden.
Zeit für eine Führung einplanen
Wenn du das nächste Mal nach Uelzen kommst, solltest du unbedingt etwas mehr Zeit einplanen, um den Bahnhof als Kunstwerk betrachten zu können. Raimund Nowak verrät dir bei einem Rundgang mehr vom Künstler, vom Bahnhof und deren Geschichten. Er weiß, wo die wärmste Stelle ist, führt dich an einen magischen Ort und zeigt dir in der Kunstausstellung Originalgrafiken, die vom Künstler signiert wurden.
Friedensreich Hundertwasser Regentag Dunkelbunt konnte sein eigenes Werk in Uelzen leider nicht mehr sehen. Auf dem Weg von Neuseeland nach Europa im Jahr 2000 erlitt er auf dem Passagierschiff Queen Elisabeth II. einen Herzinfarkt und starb an Bord.