Wenn das Hobby zur Passion wird
Es ist 9.30 Uhr an einem Sonnabendmorgen. Die Gruppe hat sich um den großen Arbeitstisch versammelt und wartet gespannt auf das, was folgen wird: In sieben Stunden werden wir vier Sorten handgegossene Pralinen herstellen und dabei allerlei Tricks und Handhabungen lernen, so dass wir die Schokoteilchen im Anschluss auch zu Hause herstellen können. Ich bin etwas skeptisch. Ich koche und backe gern, doch an Pralinen habe ich mich bislang nicht herangewagt. Schließlich habe ich schon Probleme eine Schokoladenglasur für Kuchen hinzubekommen. Meistens ist diese glanzlos und wird nicht richtig fest. Die Schokoladen-Expertin verspricht: „Das wird sich jetzt ändern.“
Ihre Liebe zur Schokolade lebt Nele zunächst lange als Hobby aus. Als Ausgleich zu ihrem Job als Technikerin für Informatik widmet sie sich in ihrer Freizeit der Pralinenherstellung. Sie bringt sich vieles selbst bei, liest Bücher, besucht Workshops und Profikurse. „Ich habe wirklich viel gelesen und nach dem Prinzip ,try-and-error’ ausprobiert.“ Im Jahr 2011 startet Nele dann ihren Blog „Pralinenwahnsinn“. „Ich habe im Internet nicht so viel über die Pralinenherstellung gefunden, also habe ich meine Rezepte und Erfahrungen in dem Blog als Tagebuch aufgeschrieben.“ Drei Jahre später gründet sie schließlich ihre Pralinenschule „Chokumi“ – eine Verschmelzung aus den Begriffen „Schokolade“ und „Kokumi“. Letzterer steht für einen ausgewogenen, harmonischen und vollmundigen Geschmack. 2017 ist es so weit: Nach Eintragung in die Handwerksrolle, gibt sie ihren Job auf, widmet sich ganz ihrer Schule und eröffnet obendrein eine Manufaktur für ihre feinen Pralinenkreationen.
Pralinenfertigung von Außen nach Innen
Bevor es los geht, gibt die Chocolatière einen Überblick über die Unterschiede von Schokolade, Kuvertüre, weiße, Vollmilch- und dunkle Schokolade, Kakao und Kakaobutter. Dann wird es zunächst bunt: Wir malen mit Finger und Pinsel die Pralinenhalbkugel-Formen mit gefärbter Kakaobutter aus. Für meine Pralinen wähle ich grüne und goldene Farbe. Die Pralinen werden später mit Maracujakaramell gefüllt, ich finde die Farben passen gut zum Inhalt.

Wir arbeiten uns weiter von Außen nach Innen vor. Schmelzen dunkle, Vollmilch und weiße Karamell-Kuvertüre, messen die Temperatur, kühlen diese wieder mit zusätzlichen Gaben von Schokostückchen herunter, rühren, mischen, messen, bis die jeweils optimale Temperatur erreicht ist. „Geschmolzen wird Schokolade bei 45 bis 50 Grad im Wasserbad“, erklärt Nele. Dabei dürfe die Schüssel das Wasser im Topf nicht berühren, auch dürfe auf keinen Fall Wasser in die Schokolade gelangen. Die Masse würde sofort eindicken. „Ist die Schokolade geschmolzen, nehmt ihr die Schüssel von der Wärmequelle und gebt feste Schokolade dazu, rührt diese unter und wiederholt das Ganze, bis ihr bei dunkler Schokolade eine Temperatur von 32 Grad erreicht habt, bei Vollmilch 31 Grad und bei weißer Schokolade sind es 29 Grad. Dann sollten alle Schokoladenstückchen geschmolzen sein.“ Diesen Vorgang nennt man Temperieren.

Eine Augenweide und Geschmacksexplosion
Ich muss zugeben, schon nach einer Stunde bin ich fasziniert. Nele ist eine wirklich gute Lehrerin, sie erklärt kurz und knapp, anschaulich und, wenn es drauf ankommt, sehr genau. Die Handgriffe, die nötig sind, um die Förmchen mit Schokolade auszugießen, später mit Inhalten zu füllen und anschließend mit Schokolade wieder zu verschließen, gehen mir, dank Neles Anleitungen, leicht und ohne Fehler von der Hand.

Wir fertigen heute nicht nur Pralinen mit Maracujafüllung. Wir stellen auch Nougat aus gerösteten Cashewkernen her, außerdem ein Salz-Karamell, dass auch pur
Wir fertigen nicht nur Pralinen mit Maracujafüllung. Wir stellen auch Nougat aus gerösteten Cashewkernen her, außerdem ein Salz-Karamell, dass auch pur als Aufstrich prima schmeckt und von dem ich gleich mehrmals probieren muss, und eine Ganache mit aromatischer Tahiti-Vanille. Dabei lernen wir unter anderem, dass etwas Säure Süße „versteckt“ und dass die Zugabe von Glukose und Invertzucker Pralinen länger haltbar macht – eine Info, die ich nicht gebraucht hätte, da Pralinen bei mir grundsätzlich nicht alt werden, ergo auch nicht länger haltbar sein müssen. Dass Glukose aber bei Fruchtganachen unbedingt zugegeben werden muss, damit der Zucker in der Schokolade durch die Fruchtsäure nicht wieder auskristallisiert, ist ein Info, die ich vielleicht irgendwann mal brauchen werde.
Das Highlight des heutigen Tages ist natürlich am Ende das Herauslösen der fertigen, selbst gemachten Pralinen aus den Formen. Das Ergebnis haut uns alle um: Die Pralinen glänzen verführerisch, die Farben leuchten verlockend und schon der Anblick verspricht eine Geschmacksexplosion.

Wieder zu Hause muss ich meine Werke gleich der Familie zeigen und alle probieren lassen. Die einhellige Meinung: Noch nie habe man leckerere Pralinen gegessen. Die 72 Stück, die jeder Teilnehmer aus dem Workshop mitnehmen durfte, sind dann auch tatsächlich nach wenigen Tagen dahin. Doch das ist nicht schlimm. Ich weiß ja jetzt wie es geht, welche Zutaten ich brauche und welche Handgriffe wichtig sind. Und ich habe mir fest vorgenommen: Spätestens zu Ostern gehe ich selbst in die Pralinenproduktion für meine Familie, denn dank Neles Chokumi-Workshop traue ich mich jetzt auch an die Königsdisziplin heran.