Es ist ein Präzedenzfall, der kaum brisanter sein könnte: Der Internationale Strafgerichtshof (ICC) stellt einen vorläufigen Haftbefehl gegen den ehemaligen US-Präsidenten aus – als dieser für eine Veranstaltung in Athen landet, nehmen ihn die Behörden fest. Für die Juristin Dana Marin und ihre Mitstreiter beim ICC ist das eine nie für möglich gehaltene Chance, für den amtierenden US-Präsidenten, der gerade mitten im Wahlkampf steckt, ist es eine Katastrophe.
Während das Weiße Haus offen droht und insgeheim bereits an einer Befreiungsaktion arbeitet, kämpft Dana Marin in Athen für die Überstellung des Ex-Präsidenten nach Den Haag. Ein Kampf gegen einen übermächtigen Gegner beginnt.
Ermöglicht wurde die Festnahme durch einen Whistleblower, der delikates Wissen über den ehemals mächtigsten Mann der Welt weitergegeben hat. Es geht um Kriegsverbrechen in Afghanistan, die Liste der Schrecken ist endlos. Was der Whistleblower jedoch nicht weiß: Die US-Geheimdienste sind ihm bereits dicht auf den Fersen – und eins haben sie gewiss nicht: Skrupel.
Ein Polit-Thriller mit Bezug zur Realität
So beginnt der spektakuläre Thriller “Der Fall des Präsidenten”. Obwohl der Thriller klar fiktiv ist, entsteht ein authentisches Bild. Auch die fiktiven Präsidenten basieren merklich auf den tatsächlichen Machthabern der USA.
Die Handlung mag einen wenig realen Aufhänger haben. Doch die Reaktionen der USA, das Tauziehen in der griechischen und europäischen Politik und Dana Marins ohnmächtiger Kampf für Gerechtigkeit, den sie mit den dürftigen Ressourcen des ICC führen muss, erscheinen an keiner Stelle unlogisch oder konstruiert.
Dramatische Action wie in einem James Bond-Film
Auf über 600 Seiten breitet Marc Elsberg nicht nur eine politisch aktuelle was-wäre-wenn-Frage aus, sondern präsentiert auch einen Thriller, dem es nicht an Action fehlt. Komplexe Verstrickungen, mit denen er die Leser und Leserinnen in die Irre führt, groß angelegte Verfolgungsjagden und atemlose Spannungsmomente hat “Der Fall des Präsidenten” viele zu bieten.
Meist wird die Action nur angedeutet. Sie wird kaum aus direkter, brutaler Nähe geschildert, was auch eindeutig nicht zum „Fall des Präsidenten“ gepasst hätte und deshalb gut gewählt ist. Der Thriller punktet eher durch seine realistische Herangehensweise und die Spannung, die in dem Bedrohungsmoment steckt: Es wird klar, was eine solche Situation für die internationalen diplomatischen Beziehungen bedeutet. Und dann geht Marc Elsberg die Folgen konsequent durch.
„Mr. President, Sie haben das Recht zu schweigen!“
Doch genug der Spannung. Denn Elsberg kann auch Entspannung bieten: Dafür sorgt eine unerwartete, romantische Beziehung am Rande, die den Thriller angenehm auflockert.
Insgesamt geht dieser Thriller leider viel zu schnell zu Ende. Tatsächlich ist „Der Fall des Präsidenten“ eine runde Story, die nicht versucht, uns einen möglichen Weg aufzuzwängen, sondern vielmehr offen lässt, was in einer ähnlichen Situation wohl geschehen würde. Das Buch hat Potenzial eines meiner Highlights des Jahres zu werden – Spannung bietet Marc Elsbergs neuer Thriller auf jeden Fall genug.